New Work braucht New Learning

New Work braucht New Learning

3. Juni 2024 0 Von Madita Hänsch

Aus „Bildung 4.0 – Eine Vision für den systemischen Wandel„, von Madita Hänsch

New Work beschreibt ein Konzept der sich verändernden Dynamik der Arbeitswelt im digitalen Zeitalter. Der Begriff wird, wie die meisten Trend-Begriffe, gern inflationär verwendet. Allzu oft wird einer vermeintlich “neuen” Arbeitsmethode der Stempel “New Work” verpasst: Dem Kickertisch im Büro zum Beispiel. 

Doch New Work steht für ein ganzes Paket an Methoden, basierend auf einer bestimmten Mentalität und mit einem klaren Ziel vor Augen. New Work steht für eine Verlagerung hin zu einem stärker auf den Menschen ausgerichteten und anpassungsfähigeren Arbeitsansatz, der darauf abzielt, den sich wandelnden Bedürfnissen der Arbeitnehmenden gerecht zu werden. Der Mensch und seine Bedürfnisse rücken hier wieder in den Fokus. Es geht darum, das Arbeitsumfeld artgerecht zu gestalten – um Gesundheit, Kreativität, Produktivität und Innovationspotenzial zu erhöhen. 

Die Autor:innen Jan Foelsing und Anja Schmitz beschreiben es in ihrem Buch New Work braucht New Learning wie folgt: 

Als zentrale Prinzipien des New Work Konzeptes betrachten wir daher (Wahl-)Freiheit, Selbstbestimmung/ Autonomie, Sicherheit, Sinn, Selbstverwirklichung, Kompetenz und Wirksamkeit sowie soziale Teilhabe bzw. Zugehörigkeit. Eng mit diesen Prinzipien verbunden ist auch der emotionale Aspekt der erlebten Freude an der Tätigkeit.

 Foelsing, Jan & Schmitz, Anja (2021): New Work braucht New Learning – Eine Perspektivreise durch die Transformation unserer Organisations- und Lernwelten. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH. S. 3.

All die in diesem Kapitel ausgeführten Überschriften (“Circle of Safety”, “Arbeit mit Sinn”, “New Work needs Inner Work”, etc.) basieren auf dem Konzept von New Work. Denn diese gemeinsame Vision von der Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts ist die Antwort auf unsere dringenden Fragen, wohin sich das Bildungssystem jetzt verändern muss. 

Widmen wir uns damit dem zweiten Begriff dieses Kapitels, New Learning, den Foelsing und Schmitz bewusst  von New Work abgeleitet haben:

Um von New Learning im engeren Sinne sprechen zu können, muss sich Lernen an den oben aufgeführten zentralen Prinzipien des New Work Konzepts orientieren und die Selbst- und Potenzialentfaltung des Individuums in den Fokus rücken, damit die Weiterentwicklung der Individuen einen Beitrag zur Entwicklung der Gesamtorganisation leisten kann. New Learning bezeichnet Lernen, das vom Lernenden als sinnhaft erlebt wird und die Teilhabe an der Gemeinschaft ermöglicht. Der Lernprozess ist dabei geprägt durch Selbstbestimmung, Autonomie und dem Streben nach Wirksamkeit. Die Lernenden erleben ein hohes Maß an Selbstverantwortung und die Zugehörigkeit zur (Lern-)gemeinschaft.

 Foelsing & Schmitz (2021): S. 4.

Erinnern wir uns an die Ausführungen von Nick Shackleton-Jones, die ich im Kapitel Wie wir lernen zitiert habe, sehen wir die gemeinsame Schnittmenge. Wenn nachhaltiges, intrinsisch motiviertes Lernen nur stattfinden kann, wenn der Lerninhalt entweder aus eigenem Interesse verfolgt wird, oder weil die Relevanz sichtbar werden kann, dann ist es eine logische Schlussfolgerung, dass wir Lernprozesse unter den Aspekten von Selbstbestimmung, Sinnhaftigkeit und Selbstwirksamkeit gestalten. Und dabei die Bedürfnisse der Lernenden in den Fokus richten.

Quelle: pexels.com

Was hat das mit der Arbeitskultur zu tun?

Im Verständnis von New Work ermöglicht das Arbeitsumfeld dem Menschen, jederzeit, und ohne dass es seine Arbeit behindert, lernen und sich entwickeln zu können. Denn wir haben jetzt erkannt, dass hier das Innovationspotenzial begraben liegt. Wir haben verstanden, dass es den Menschen zufrieden macht, wenn er aus innerer Überzeugung heraus lernen und sich entwickeln kann. (vgl.  Foelsing & Schmitz (2021): S. 123.)

Dabei bringen wir die Interessen der Individuen und der Organisation selbst zusammen. Orientiert an der gemeinsamen Vision richten sich die Lernangebote daran aus. Wenn es das Ziel eines Bildungshauses ist, seine Lernenden bestmöglich darin zu unterstützen, ihr Potenzial frei zu entfalten, dann ermöglicht diese Organisation seinen Fachkräften, sich laufend in den Fähigkeiten und dem Fachwissen weiterzubilden, die dafür benötigt werden, um dieser Aufgabe gerecht zu werden. 

Für die Personalentwicklung der Organisation ergibt sich daraus die folgende Kernaufgabe:

Zum einen gilt es, die Lernenden darin zu unterstützen, das zu identifizieren, was sie wirklich, wirklich wollen, um ihre intrinsische Motivation zu fördern. Zum anderen gilt es aber auch, Sinn- und Purposeangebote zu machen, die das Individuum als wichtig und stimmig zu seinem Selbstkonzept erlebt und somit in dieses Selbstkonzept integrieren kann.

 Foelsing & Schmitz (2021): S. 253

Bildungshäuser sind auch Arbeitgeber im 21. Jahrhundert, in der VUCA-Welt, die von den Organisationen verlangt, sich entsprechend des New Work Konzepts weiterzuentwickeln.

Wie lässt sich dies nun konkret umsetzen? 

Wegen der offensichtlichen Überschneidung der grundlegenden Prinzipien zur Gestaltung von Lernräumen sowohl in der Erwachsenenbildung, als auch der frühkindlichen Bildung, kindlichen Bildung und für Jugendliche und junge Erwachsene, kann das gesamte Buch ebenso als Inspiration für L&D (= Learning and Development) Expert:innen gelten, wie für alle anderen Bildungsgestalter:innen. 

Dennoch, für etwas mehr Konkretisierung in diesem Bereich, möchte ich Sirkka Freigang zitieren: 

Wir benötigen zukünftig viel mehr niedrigschwellige, kontinuierliche Angebote im Unternehmen, um ein wirksames lebenslanges Lernen sicherstellen zu können. Zur Unterstützung des Lernens am Arbeitsplatz gibt es im Bereich der Weiterbildung eine Reihe von Lernmethoden, die das Lernen im Tandem, in Gruppen oder auch in selbstorganisierter Form unterstützen. Zu diesen spezifischen Methoden gehören beispielsweise (Reverse) Mentoring, Coaching, Personal Learning Environment (PLE), Lerninsel, Lernstatt/Forschungswerkstatt, Massiv Open Online Courses (MOOC), Web Based Trainings (WBT), Enterprise Social Networks (ESN), Communities of Practice (CoP), Learning Management Systems (LMS), Webinare, Online-Video-Konferenzen, Planspiele, Projektmethode, Qualitätszirkel, Working out Loud (WOL), Open-Space-Konferenzen, etc.
Wichtig ist, dass arbeitsplatzintegrierte Lernformen strategisch und operativ unterstützt werden. Grundlegende Voraussetzungen für das Lernen am Arbeitsplatz sind folglich ausreichende Spielräume sowie Gelegenheiten und aktive Unterstützungsformate für Lernaktivitäten am Arbeitsplatz.

 Freigang, Sirkka (2024): Smart Learning Design – Methoden und Tools für den Einsatz innovativer Lernkonzepte in Unternehmen. Freiburg: Haufe-Lexware GmbH & Co. KG. S. 71.
Quelle: pexels.com

Selbst wenn den Bildungshäusern zusätzliches, entsprechend qualifiziertes Personal für L&D zur Verfügung gestellt wird, ist es im Sinne des New Learning, die Umsetzung der L&D Maßnahmen zu dezentralisieren. Multiplikator:innen können schon heute in den Bildungshäusern mit Weiterbildungen ausgebildet werden. Beispielsweise können die Behörden der Länder für Qualitätssicherung eine übergeordnete L&D Strategie managen und in allen Kitas und Schulen entsprechende Multiplikator:innen ausbilden. 

Auch ohne die Unterstützung der Behörden und Ministerien, haben Träger oder Leitungen hier Wirkmacht, auf eigene Initiative eine Strategie zu formulieren und Multiplikator:innen in ihren Teams zu aktivieren.

Zusammenfassend kann ich grundlegend folgendes Vorgehen empfehlen, um New Learning in die eigene Organisation zu integrieren:

  • L&D Strategie definieren
  • Stakeholder einbinden
  • Multiplikator:innen ausbilden
  • Maßnahmen entwickeln
  • Evaluieren und Nachjustieren

Zeitlich und methodisch ist die tatsächlich Umsetzung individuell und abhängig von vielfältigen Faktoren, wie der bestehenden Arbeitskultur in der Organisation, den vorhandenen Ressourcen, etc., zu gestalten. Es gibt daher kein Patentrezept, aber Leitfäden, an denen wir sich orientieren können sowie Expert:innen, die sich die Bildungshäuser im Rahmen ihrer Fortbildungsbudgets ins Haus holen können.

Das vollständige Buch ist hier kostenlos abrufbar: https://docs.google.com/document/d/15bTj8qyzC0HLpzr6ETigBSrhdXqIsEUIkW0uQKB5z8w/edit?usp=sharing